Stiftskirche Tübingen

BLESSING-Orgel, 1867
III/P 44, Kegelladen
(Umbau der WALCKER-Orgel, op. 25, III/P 37, 1838)

I. Manual II. Manual

III. Manual

Pedal
Principal 16' Principal 8' Geigenprinzipal 8' Contrabass 32'
Principal 8' Bourdun 16' Liebl. Gedeckt 8' Principal 16'
Viola-di-Gamba 8' Dolce 8' Dolcissimo 8' Subbaß 16'
Flöte 8' Wienerflöte 8' Aeoline 8' Quintbaß 10 2/3'
Gedeckt 8' Gedeckt 8' Flauto amabile 4' Violonbass 16'
Gemshorn 8' Salicional 8' Flautino 2' Posaune 16'
Trompete 8' Clarinette 8' Trompete 8'
Cornett Oktave 4'
Physharmonica Oktavbaß 8'
Quintflöte 5 1/3' Flauto 4' Flötenbaß 4'
Oktave 4' Fugara 4' Violoncello 8'
Traversflöte 4' Oktave 2'
Rohrflöte 4' Sesquialtera    
Quintatön 8'      
Oktave 2'    
Mixtur 6f. 4'      
Clarino 4'      

Koppeln: I/P - II/P - II/I - III/I - III/II
Nebenzüge: Tremolo (III. Man), Tremolo für Physharmonica,
Calcantenzug, Schweller für Physharmonica, Tutti-Tritt

Umbau der WALCKER-Orgel op. 25 von 1838 IIIP/37 im Jahre 1867 durch BLESSING (Esslingen)
Gehäusegestaltung nach Oberbaurat Lein, der auch die neugotische Umgestaltung der Tübinger Stiftskirche durchführte.

In Urania, Zeitschrift für Orgelbau, Orgel- und Harmoniumspiel, Band 26, 1869 beschrieben:

Kühn, bis zu einer Höhe von 35 Fuß rankt sich die reiche Gothik bis an die Decke des Gewölbes. Die fünf Mittelfelder sind durch zwei Erkertürme eingerahmt. Ein einfacher, eichenfarbener Anstrich und reiche Vergoldungen der Verzierungen machen die einzelnen schönen Formen noch leichter wahrnehmbar, und wenn man die schöne Arbeit vom Schiff der Kirche aus betrachtet, so drängt sich unwillkürlich die Überzeugung auf, dass erst durch die Aufstellung dieses Orgelwerkes die Restaurationsfrage in endgültiger Weise gelöst ist. Was die Winderzeugungsapparate anbelangt, so ist Blessing von den sonst allgemein beliebten Kastenbälgen zu den sogenannten Faltenbälgen zurückgekehrt, hat aber hiebei ein neues Prinzip zur Geltung gebracht. Es hätte zu so einem umfangreichen Werke immerhin 9 Kastenbälge bedurft und der Raum für solche wäre keineswegs leicht zu beschaffen gewesen. So aber ist es dem Erbauer möglich geworden, die Bälge im Innern der Orgel selbst anzubringen. Vier Schöpfbälge füllen zwei Reservoirs. Ausmündende Kanäle zur Egalisierung des erzeugten Windes mit Regulatoren (kleineren Bälgen) versehen, führen denselben sofort in die Höhe und verteilen solchen in die verschiedenen Windladen. Wenn in andern Orgelwerken namentlich die Kanäle den Weg versperren und den Zugang ins Innere des Werkes schwierig machen, so passieren wir hier überall breite, bequeme Gänge, die den Zugang zu faßt jeder einzelnen Pfeife ermöglichen. Die unter sich verbundenen Bälge werden durch ein gußeisernes Schwungrad in Bewegung gesetzt und sogar bei stärkerem Spiel ist ein Mann dieser Manipulation vollkommen gewachsen. Bei starkem Spiel sowie bei der "vollen Orgel" sind allerdings zwei Männer zur Winderzeugung erforderlich, was sich jedoch bei einer Orgel von solchem Umfange von selbst versteht.
Wenn nach dem früheren Prinzip alle Register und Pfeifen aus einem gemeinsamen Behälter (Windlade) gespeist wurden, so hat jetzt jedes Register einen eigenen, seinem Bedürfnisse entsprechend breit angelegten Windkanal, der durch den entsprechenden Registerzug dem Winde zugänglich gemacht, oder abgeschlossen werden kann. Dort raubte beim Zusammenspiel die größere Pfeife der kleineren den Wind, folglich konnten nie alle Töne zur gehörigen Geltung kommen und eine gewisse Mattheit und Klanglosigkeit des gesamten Orgeltones war eine nicht zu beseitigende Folge. Das neue Prinzip wahrt jeder Pfeife ihre volle Souveränität; in der "vollen Orgel" spielt das 4füssige Dolcissimo, wenn auch bescheiden, doch ebenso vollendet seine Rolle, wie der 16füssige Prinzipalbaß. Daher vorherrschender Charakter des nach dem neuen System erzeugten Orgeltones: Majestät und Glanz. Mit Änderung der Windladen war sodann die Umänderung der gesamten Mechanik von selbst geboten; dieselbe ist von gutem Material in solidester Weise durchgeführt, sodass eine Störung in dem Mechanismus, oder das sogenannte wiederwärtige "Heulen" fast als Unmöglichkeit erscheinen. Auch spielt sich in Folge der so präzis gearbeiteten Mechanik jedes einzelne der drei Manuale höchst zierlich und leicht, ja selbst bei vollem Werk, wo der Gegendruck sämtlicher drei Claviere überwunden werden muss, stellen sich dem Spieler nur Schwierigkeiten von geringem Belang entgegen.
Reden wir nunmehr von den tonerzeugenden Körpern der Orgel, den Pfeifen. Die hiesige Orgel besitzt deren zwar nicht 6666, wie die große Orgel im Kloster Weingarten, aber doch die respectable Anzahl von ungefähr 2700, nämlich im ersten Manual 1236, im zweiten Manual 702, im dritten Manual 378, im Pedal 243, Blindpfeifen in den Eckthürmen 100. Die größte derselben ist das C im Prinzipal 16'; sie ist 18' hoch und wiegt 90 Pfund und würde mit Flüssigkeit gefüllt, etwa 10 Imi fassen; die kleinste ist das 2 gestrichene F in der Mixtur; sie ist 3''' hoch, hat den Durchmesser 1'''; der Tonabstand dieser Pfeifen ist 10 1/2 Oktaven, ein Tonumfang, über den kein anderes Instrumente zu verfügen hat, sodass die Orgel also auch in dieser Beziehung als Königin der Instrumente in unereichbarer Höhe steht. Das Gewicht der ganzen Orgel ist, beiläufig bemerkt, 200 Zentner.
Die hiesige Orgel repräsentiert ein Riesenorchester von 44 einzelnen Instrumente (Stimmen oder Register) Dieselben sind, wie bereits angedeutet, auf 3 Manuale (Claviere) und 1 Fußclavier (Pedal) vertheilt. Das erste Manual mit vollem, hellem Ton, hat Pfeifen von vorzugsweise weitem Durchmesser (Mensur); das zweite Manual, mit zarterem und etwas schneidendem Ton, hat Pfeifen von vorherrschend engerem Durchmesser, das dritte Manual präsentiert die zartesten und lieblichsten Stimmen; das Pedal endlich führt in die Tiefen der Tonregion, wenn es die tiefen Bässe ihr gewichtiges Wort mitsprechen lässt.